Im vorigen Artikel wurde gezeigt, dass ökologische Baustoffe oft weniger ökologisch sind, als man dies auf den ersten Blick annehmen würde. Wer meckert soll auch Alternativen bieten, was ich hiermit auch tun will. Den Strohballenbau.
Ein Baustoff, der tragender Baustoff und Isolationsmaterial gleichzeitig ist, der Passivhausstandard ermöglicht, der ökologisch ist, der billig ist und gesundheitlich völlig unbedenklich. Daneben bietet er beste Feuer- und Lärmschutzwerte und man hat schon über 100 Jahre Erfahrung und somit die Garantie, dass die Lebensdauer deutlich höher ist, als bei manch anderem modernen Baustoff. Was will man mehr ?
Strohballenbau hat vor allem in Amerika eine lange Tradition. Von dort hat er sich fast weltweit verbreitet, nur im deutschsprachigen Raum hat er bis heute Akzeptanzprobleme, was umso erstaunlicher ist, weil Europa ansonsten in Sachen ökologisches Bauen mit Abstand führend ist. In Deutschland war bis vor kurzem ein Strohballenbau selbst rechtlich ein Problem. Österreich hatte hier deutlich früher eine liberalere Gesetzeslage. Während also weltweit bereits tausende Strohballenhäuser, auch mehrgeschossig seit teilweise über 100 Jahren in Einsatz sind, sind Strohhäuser in Deutschland noch seltene Ausnahme. In Österreich gibt es erfreulicherweise schon einige Firmen die sich darauf spezialisiert haben.
Physikalische Eigenschaften von Stroh
Stroh hat bessere Eigenschaften als man vielleicht annehmen würde. Eine Strohwand hat einen Brandwiderstandswert F90 (was hervorragend ist), und eine Wärmeleitfähigkeit von 0,045 W/mK (das ist vergleichbar mit Styropor, Glaswolle oder Kork) (edit: es finden sich auch Werte bis 0,6). Stroh verrottet (wenn es trocken bleibt) praktisch nie und hat mehr oder weniger unbegrenzte Haltbarkeit. Ein richtig gebautes Strohballenhaus kennt keinen Befall mit Insekten, Mäusen etc. (Falsch gebaut lieben Mäuse auch Styroporhäuser!) Stroh hat gute Belastungsfähigkeit, so dass es als tragendes Baumaterial verwendet werden kann. Stroh ist relativ erdbebensicher. Es können Bewegungen, Setzungen etc. gut aufgenommen werden, ohne dass die statische Stabilität wesentlich beeinträchtigt wird. Stroh kann verputzt etc. werden, so dass es ganz „normale“ Häuser ermöglicht.
Die Bauweisen beim Strohballenbau
Ein Strohballenhaus wird mit Kleinballen gebaut. Leider werden heute in der Landwirtschaft fast nur Grossballen gepresst, aber man findet auch noch Bauern mit Kleinpressen. Die Ballen sind üblicherweise ca 32x50cm. Die Länge variiert und beträgt ca. 100cm. Somit haben Strohballen ein recht praktisches Format. Sie müssen so gepresst sein, dass sie mindestens 90kg/m3 haben. Sollte das nicht der Fall sein muss nachverdichtet werden. Nur so erreicht Stroh seine gewünschten physikalischen Eigenschaften. Es gibt dazu abenteuerliche Pressen mit Wagenhebern etc. Es wird der Ballen einfach zusammengedrückt und danach die beiden Bindfäden enger gebunden. Weiters muss das Stroh relativ trocken sein. Die Bindfäden sollten Polypropylenbänder sein. Früher waren Naturgarne aus Sisal etc. in Gebrauch, was weniger gut geeignet ist. Es sollte aber auch möglich sein einen Lieferanten zu finden, der diese Anforderungen erfüllt. Bei normal gut gepressten Strohballen werden diese meist übertroffen.
Die lasttragende Strohballenwand
Die ursprüngliche Bauweise im Strhballenbau ist die lasttragende. Dabei werden die Dachlasten direkt über die Strohballen abgeleitet. Somit werden die Wände einfach aufgebaut wie aus Ziegel. Es gibt verschiedene Bauweisen, bei denen die „Strohziegel“ mit Mörtel etc. zusammengefügt werden, diese haben sich aber auf Grund der entstehenden Wärmebrücken bei uns alle nicht durchsetzen können. In unseren Breitengraden wird somit die herkömmliche Methode verwendet, bei der einfach übereinandergelegt wird.
Um den auftretenden Lasten und Kräften sicher Stand halten zu können müssen die Ballen noch gesichert werden. Dabei besteht vor allem die Gefahr, dass sich Wände ausbeulen, weiters müssen die Wände vorgespannt werden, damit es nach dem Auffingen des Daches nur noch zu minimalen Nachverdichtungen kommt. So werden die Strohballen entweder auf lange Gewindestangen gesteckt, die mittig in der Wand sitzen, oder seitlich mit Gurten vorgespannt. Dabei werden oben Holzrahmen auf die Strohballen gesetzt und mit Spanngurten nach unten gespannt. Es sollte angestrebt werden die Strohballen möglichst gleichmäßig vorzuspannen. Weiters können Bambus oder Holzspieße schräg von oben in die Wände geschlagen werden.
Durch die Ausbeulgefahr darf man die Wände nur ca. 5 mal so hoch wie dick machen. Somit kann man mit den Kleinballen nur eingeschossige Häuser realisieren. Mit Grossballen wurden auch schon mehrgeschossige lasttragende Strohhäuser gebaut.
Grosser Vorteil der lasttragenden Strohhäuser sind die wärmebrückenfreie Konstruktion, der günstige Preis und das gute Gefühl eine „echtes“ Strohhaus zu besitzen.
Nicht lasttragende Strohballenwände
Bei den nicht lasttragenden Strohwänden liegt die Funktion des Strohs hauptsächlich in deren Dämmwirkung. Die statische Konstruktion wird anders realisiert. In eine Grundkonstruktion aus Holz werden die Strohballen eingefügt. Wird die Konstruktion nicht ausgefacht (mit diagonalen Streben fixiert), so muss darauf geachtet werden, dass die Strohballen eine ausfachende Scheibe bilden.
Andere Variante ist, dass eine fertige Konstruktion durch eine Stohballenwand davor isoliert wird. Dabei müssen die Strohballen an der Wand befsetigt werden. Teilweise werden auch Mischkonstruktionen verwendet (Stroh als Füllung zwischen den Ständern und davor). Hier gibt es viele Techniken, die sich bewährt haben. Sollte man ernsthaftes Interesse haben so etwas zu bauen, wird man nicht umhin kommen einen Fachmann zu kontaktieren, oder sich sehr genau einzuarbeiten.
Sanierung mit Stroh
Auch ein bestehendes Haus kann ein Wärmedämmsystem aus Stroh erhalten. Dabei wird wie bei der nicht lasttragenden Bauweise eine Schale aus Stroh angebracht. Die anzubringenden Schichten sind nicht viel dicker als bei Vollwämreschutzfassaden aus Styropor. Auf der Homepage von Werner Schmidt findet man super Fotostrecken von Bauten Renovierungen etc. mit Stroh.
Andere Bauteile aus Stroh
Selbstverständlich können auch die Dachdämmung für alle Dächer, die Fussbodendämmung mit Unterlüftung, aber sogar nachträgliche Innendämmungen etc. mit Stroh realisiert werden. Innenwände aus Stroh machen recht wenig Sinn. Einerseits sind diese zu dick und kosten wertvollen Raum, andererseits bietet es sich auch an die Innenwände bei massiver Ausführung als Wärmespeicher zu nützen.
Verputzen von Strohwänden
Strohwände können mit praktisch jedem Putz verputzt werden. Ökofreaks verwenden natürlich Lehmputz. Die Putzschicht wird mindestens 4cm eher 6cm dick werden. Es sind auch mehrere Arbeitsschritte nötig. Es wird zuerst eine Putzschicht aufgebracht. Danach muss man herausragende Strohhalme entfernen. Darauf kommt die
Nachhaltigkeit von Strohballenbauten
Hier punktet die Strohballenwand richtig. Stroh fällt in riesigen Mengen in der Getreideerzeugung an. Diese wird normalerweise in die Erde eingeackert um diese zu lockern. Vom Materialbedarf wäre es möglich sämtliche Neubauten mit Stroh auszuführen. Stroh benötigt einen Primärenergiebedarf von 0,2MJ pro kg. Im Vergleich dazu benötigt Styropor ca 100MJ/kg, aber auch Schafwolle wird mit dem hundertfachen Wert von Stroh gerechnet. Das anfallende CO2 Äquivalent beträgt bei Stroh -1,2kg, weil Stroh beim Wachsen CO2 bindet.
Stroh ist mit Sicherheit einer der nachhaltigsten Baustoffe. Mehr dazu findest du in dem Artikel „Ökologisches Bauen„. Selbst bei einem Transportweg von 1000km liegt der gesamte Energiebedarf für die Herstellung bei einem Hundertstel von Styropor. Flachs, Schafwolle, und Co sind hier bei weitem unterlegen.
Strohballenbau jetzt !
Wer ein solches Wunderding will, sollte sich im Internet umsehen. Es gibt bereits überall Architekten, Baufirmen etc. die sich auf den Bau von Strohballenbauten spezialisiert haben. Diese Firmen kennen auch den Wunsch vieler Strohuasbauer nach Eigenleistung und bieten entsprechende Pakete. Es ist also durchaus möglich einen spezialisierten Baumeister zu finden, der Aufgaben die statische Berechnung, Planung und den Baumeisterstempel bei der Einreichung übernehmen. Auch wertvolle Tipps zur Ausführung wird man dort bekommen und trotzdem kann man sein Haus mit mehr oder weniger Eigenleistung errichten.
Mit Stroh lassen sich tolle low-tec Passivhäuser errichten. Passivhäuser sind die Zukunft und bereits in wenigen Jahren werden Passivhäuser verpflichtend bei Neubauten sein. Es ist also durchaus sinnvoll im Sinne späterer Werthaltigkeit bereits jetzt passiv zu bauen. Mit Stroh kann man dies mit vernünftigem finanziellem Aufwand, weil das Baumaterial sehr günstig ist.
Selbst als überzeugter Selbstbauer und Heimwerker würde ich für ein EFH auf jeden Fall den Weg zu einem Spezialisten suchen. Für kleinere Bauten wie Gartenhütten, Ställe, Gewächshäuser kann man sich auch selber ausreichend einlesen. In jedem Fall kann ich jedem Strohballenhausinteressenten diese Buch empfehlen:
Fotonachweis:
*1 – (c) http://www.theyearofmud.com
*2 – (c) http://www.atelierwernerschmidt.ch/
Die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von Stroh beim Hausbau sind wirklich sehr interessant.
Wir stehen kurz vor der Renovierung unseres Hauses. Wenn es an die Dachdämmung geht werde ich mir auf jeden Fall die Variante mit einer Strohdämmung genauer ansehen.
Ja, Stroh und auch Schilf sind hervorragende Dämmstoffe, die günstig zu beziehen und zu verarbeiten sind. Wir verwenden auf Anfrage Stroh zum Dämmen von Dachelementen. Trapezstegelemente mit Strohdämmung leisten so einiges mehr als so mancher erwarten würde.